Die younion_die Daseinsgewerkschaft Hauptgruppe II lehnt die Pflegelehre eindeutig und entschieden ab!
Diese Woche haben wir unsere Stellungnahme, so wie auch jene der anderen Fachgewerkschaften, Verbände und Träger, zur möglichen Einführung einer Pflegelehre veröffentlicht. Wir lehnen die Pflegelehre klar und entschieden ab. Die entsprechenden Argumente wurden unter allen MandatarInnen des Personalgruppenausschuss Pflege gesammelt und um jene zentralen Forderungen erweitert, die es aus unserer Sicht für die Pflege gesamt braucht.
Zudem kristallisiert sich heraus, dass die Pflegelehre bei keiner der großen Interessensvertretungen und keinem der bedeutenden Träger auf Zustimmung stößt.
Die Gesundheits- und Pflegeberufe verfügen derzeit über ausreichende Qualifikationsstufen und dementsprechenden Zugängen dazu. Mit Pflegeassistenz, Pflegefachassistenz und gehobener Dienst lassen sich unserer Meinung nach alle pflegerelevanten Bereiche abdecken – intra- als auch extramural.
Dem starken Wunsch, über ein Ausbildungsangebot im direkten Anschluss an die Pflichtschule zu verfügen, sind wir mit anderen Fachgewerkschaften gefolgt, indem wir die Möglichkeit der Ausbildung in den Pflegeassistenzberufen im Rahmen eines BHS Modell forciert, gestützt und letztendlich auch zur Umsetzung gebracht haben. In diesem drei- und fünfjährigen Setting kann ein sicherer, stützender und begleitender Rahmen für die jungen Auszubildenden garantiert werden, durch die Möglichkeit eines Berufsabschlusses und Matura wird auch die unerlässliche berufliche Durchlässigkeit garantiert.
Die erste Bewerbungswelle zeigt, dass dieser Schultypus gut angenommen wird, wiewohl noch keine Daten zu Drop Out Quote in der Ausbildung bzw. Verweildauer im Beruf von AbsolventInnen dieser Ausbildungsform vorliegen. Es macht daher aus jetziger Sicht überhaupt keinen Sinn, zusätzlich eine Lehre einzuziehen.
Zudem erleben wir, dass häufig das Schweizer Modell der Pflegelehre als Beispiel herangezogen wird. Eine nähere Betrachtung dieses Modells durch den ÖGKV ergab eine Drop Out Quote von 50-60%. Wiewohl wir verstehen, dass ein Bundesland wie Vorarlberg durch seine geografische Nähe zur Schweiz und dem unmittelbaren Zugang zu höheren Gehältern in Schweizer Franken händeringend nach Fachkräften aller Sparten sucht, lassen sich Schweizer Bedingungen nicht 1:1 auf Österreich umlegen. Zudem sollten wir uns mit anderen EU-Ländern vergleichen und nicht mit dem Nicht Eu-Land Schweiz.
Das bisher gelebte Modell in Vorarlberg ist außerdem keine Pflegelehre. Hier erlernen Auszubildende in den ersten drei Jahren den Beruf der Bürokauffrau/-mann und können freiwillig nach Abschluss ein viertes Jahr zur Pflegeassistenz anschließen – ein Möglichkeit die auch hier die wenigsten wahrnehmen.
Es stellt sich daher auch die Frage, in welcher Form eine Pflegelehre angeboten würde. Die Pflege ist mit ihren Anstellungsmöglichkeiten der vielfältigste Beruf unter den Gesundheitsberufen. Auszubildende werden daher so weit als möglich auf alle möglichen Einsatzgebiete vorbereitet. Ein Lehrling wäre an den Betrieb gebunden. Die praktischen Arbeiten würden sich ausschließlich auf das Angebot der Lehrstelle beschränken. Wo würde ein zukünftiger Lehrling der Pflegeassistenz in einem privaten Pflegewohnhaus andere Fächer und damit auch die unterschiedlichen Bedingungen und Ansprüche an das Pflegepersonal erfahren? Zu erwarten ist, dass so Hausgebunde Kräfte herangezüchtet werden, die aufgrund der Eingeschränktheit ihres Ausbildungsfeldes wenn überhaupt nur in gleichen Einrichtungen Anstellung finden. Damit wäre jungen Menschen diese Freiheit genommen und ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal der Pflege ginge verloren. Die Kompetenzprofile und Berufsbilder würden auseinandertriften – Chaos und eine Abwertung der gesamten Pflege wäre die Folge.
Zudem muss das vom EU-Recht vorgeschriebene und im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz verankerte Mindestalter für praktische Ausbildung mit dem 17. Lebensjahr, zwingend eingehalten werden. Bedenkt man nun, dass der Entwurf der WKO zur Pflegelehre hauswirtschaftliche Tätigkeiten für Lehrlinge als Praxisziel definiert, muss unmittelbar und sofort eine Ablehnung erfolgen. Jahrzehntelang kämpfte die professionelle Pflege in all ihren Bereichen um eine berufliche Aufwertung und damit auch um eine Herausnahme der hauswirtschaftlichen Tätigkeit aus dem Gesetz und aus dem Berufsbild. So wie das Vorarlberger Modell keine Pflegelehre darstellt, sondern eine Bürokaufmännische Lehre mit eventuellem Pflegeaufbau, sind hauswirtschaftliche Tätigkeiten keine Aufgaben einer Pflegeperson – weder in den Assistenzberufen und im gehobenen Dienst schon gar nicht. Die WKO scheint hier häusliche Betreuung, 24 Stunden Betreuung (hier gehen die Kräfte auch einkaufen, unterhalten, gießen Pflanzen, kochen oder machen die Wäsche) mit der professionellen Pflege zu verwechseln – leider ein immer wiederkehrendes Problem, welches gesamtgesellschaftlich behoben werden muss.
Aus unserer Sicht lenkt die von der WKO forcierte Debatte zur Pflegelehre nur von den wahren Problemen der Pflege ab. Aus unserer Sicht sind Auszubildende jetzt schon für ihre praktischen Tätigkeiten gebührend zu entlohnen. Dies gilt auch für die tertiäre Ausbildung an den Fachhochschulen. StudentInnen der Medizin erhalten im klinisch praktischen Jahr eine monatliche Entlohnung. Es ist daher nur fair und angebracht, die Auszubildenden der Pflegesparten ebenfalls entsprechend den gesetzlichen Anforderungen zu entlohnen.
Hier möchten wir bezüglich einer etwaigen Lehrlingsausbildung nachhaken. Aus unserer Sicht müsste der Lehrberuf aufgrund der hohen Anforderungen und Belastungen ähnlich einer Ausbildung in der Industrie und Technik bezahlt werden. Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig es auch aus wirtschaftlicher Sicht ist, ein sicheres und gut funktionierendes Gesundheitssystem zu haben. So wie die Löhne der Pflegeberufe an sich eine Steigerung erleben müssen, gilt es daher auch, eine dementsprechende Lehrlingsentschädigung zu bezahlen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass bei dieser Bedingung die anvisierte „Verbilligung“ der Pflege nicht mehr gegeben ist.
Die gravierenden Lohnunterschiede zwischen öffentlichem, privatem, intra- und extramuralem Bereich und unter den einzelnen Sparten sind zu bereinigen.
Ein österreichweit gültiger Personalschlüssel mit einer klaren, den Anforderungen entsprechender, Qualität und Menschlichkeit garantierender, Mindestanzahl, auch was den Professionen-Mix betrifft, muss gesetzlich verankert werden.
Den Berufsalltag erschwerende Rahmenbedingungen wie geteilte Dienste, unbezahlte „Rufbereitschaft“, die Belastungen eines Schicht- und Wechseldienstes gerade bei zunehmenden Alter, die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie müssen korrigiert werden. Pflege ist weiblich und das wird sie auch in Zukunft, unabhängig von den Ausbildungszugängen, sein.
Wir sind davon überzeugt, dass wenn man sich der Pflege in ihren bestehenden Berufen unter Berücksichtigung ihrer Professionalität und den steigenden Anforderungen, österreichweit und gemeinschaftlich annimmt, die Probleme im hier und jetzt und in der Zukunft zu lösen sind. Werden die Pflegeberufe attraktiver, steigt der Zulauf.
Verstummt der kollektive Aufschrei aufgrund der Belastungen und der mangelnden Wertschätzung unter den bestehenden, berufsausübenden Pflegepersonen in der gesamten Gesundheitsbranche, werden auch wieder mehr Menschen einen Pflegeberuf ergreifen, die Fluktuation sinkt.
Ermöglichen wir auch älteren ArbeitnehmerInnen ihren Pflegeberuf bis zur Pension ausüben zu können, senken wir die Drop Out Quote.